„Nicht verteidigungsfähig“: Wie gut ist die Bundeswehr für den Krieg gewappnet?
- WatchOut News
- 5. März
- 4 Min. Lesezeit
Seitdem die NATO der Ukraine ihre Unterstützung im Ukraine-Krieg zugesichert hat, hagelt es aus Russland regelmäßig Drohungen.

Immer wieder warnte der russische Präsident Wladimir Putin den Westen vor weiteren Hilfsmaßnahmen und deutete mehrfach einen nuklearen Angriff gegen das atlantische Bündnis an. Bislang werden die Rhetoriken des Kremls von Experten als hohle Worte abgetan.
Trotzdem stellt sich die Frage, wie es in einem Ernstfall aussehen würde. Besonders in Deutschland wird immer wieder kritisch auf die Verteidigungsmöglichkeiten des eigenen Landes geschaut. Erst im Februar 2022 kündigte Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) aufgrund des desolaten Zustands der Bundeswehr eine „Zeitenwende“ an. Ein Jahr später hat sich nur wenig am militärischen Inventar verändert. Wie würde es aktuell um Deutschland im Kriegsfall stehen?
Deutschland steht bei Luftangriff „nackt da“: So wird im Ernstfall reagiert
Die Bundeswehr ist mit Beginn des Ukraine-Kriegs wieder ins Scheinwerferlicht der politischen Bühne gerückt. Es wird debattiert über Finanzierungspakete, militärische Ausstattungen und die Wiedereinführung der Wehrpflicht.
Dabei steht jedoch eines fest: „Wir haben keine Streitkräfte, die verteidigungsfähig sind.“ Dies verkündete Verteidigungsminister Boris Pistorius (SPD) in der Fraktionssitzung seiner Partei am Montagabend (27. Februar). Gegen einen „offensiv brutal geführten Angriffskrieg“ sei man nicht gewappnet, sagte der Mann, der es qua Amt wissen muss.
Die Worte des Verteidigungsministers sind drastisch. Ein Angriff auf Deutschland bleibt jedoch äußerst unwahrscheinlich. Als geografisch zentral gelegenes NATO-Mitglied ist ein direkter Angriff auf dem Landweg nicht zu erwarten. Im Ernstfall wäre in erster Linie mit einem Angriff aus der Luft zu rechnen.
Sollten Raketen auf die Bundesrepublik zufliegen, sollte dies nach dem aktuellen Plan durch das „Combined Air Operations Centre“ (CAOC) erkannt werden. Die deutsche Luftverteidigung ist im NATO-Verbund organisiert. Der Luftraum wird durch militärische Radar- und Flugsicherungssysteme ständig überwacht. Sollte eine auf Berlin zufliegende Marschflugrakete registriert werden, würde diese schnellstmöglich durch die Abfangjäger der CAOC vernichtet werden.
Dabei ist Deutschland jedoch wirklich auf die Hilfe der NATO angewiesen. Wie die Bild mit Bezug auf interne Quellen der Bundeswehr berichtet, gilt die deutsche Flugabwehr unter Experten als Achillesferse des Landes.
„Deutschland steht bei der Abwehr von Flugkörpern nackt da“, wird ein Experte zitiert. Eine flächendeckende Flugabwehr gebe es nicht. Auch parallel verlaufende Angriffe könnten nicht abgewehrt werden, heißt es. Der schwache Schutzschirm sei durch die Abgabe von Luftabwehrsystemen an die Slowakei, Polen und die Ukraine noch weiter geschwächt worden.
Kriegsfall in Deutschland: Führungsfähigkeit der Regierung „geht gegen null“
Im Kriegsfall sind vor allem wichtige Infrastrukturen durch Angriffe gefährdet. Die infrastrukturelle Schutzmaßnahmen wurden seit dem kalten Krieg zurückgefahren. Mit dem Fall der Mauer und der Beendigung des Ost-West-Konflikts schien das Szenario eines konventionellen Krieges nicht mehr zeitgemäß, erklärte eine Sprecherin des Innenministeriums gegenüber der Bild. Auch für Regierungs- und Kabinettssitzungen gibt es keinen zentralen Rückzugsort.
Trotzdem sei dafür gesorgt, „dass die Bundesressorts ihre Aufgaben auch in Fällen wahrnehmen können, in denen dies an ihren Hauptsitzen nicht mehr möglich ist“, so das Innenministerium. Experten äußern dagegen laute Zweifel: Im Kriegsfall dürfte die Führungsfähigkeit der Regierung „gegen null gehen“, wird befürchtet. Eine aktuell laufende Bestandsaufnahme der Schutzmaßnahmen sei viel zu spät.
Verteidigungsfall: Wehrpflicht tritt automatisch in Kraft
Sollte in Deutschland der Kriegs- oder Verteidigungsfall verhängt werden, gibt es klare Mechanismen, die automatisch in Gang gesetzt werden. Einer davon ist in Artikel 115b des Grundgesetzes verankert und sieht vor, dass die „Befehls- und Kommandogewalt über die Streitkräfte auf den Bundeskanzler“ übertragen werden.
Dahinter steckt die Idee der „Führung aus einer Hand“. Diese soll schnelle Entscheidungen und Reaktionsmöglichkeiten in Kriegszeiten ermöglichen. In Friedenszeiten liegt die Entscheidungsgewalt beim Verteidigungsministerium.
Verteidigungsfall in Deutschland
Der Verteidigungsfall wird in Deutschland erreicht, wenn das Staatsgebiet der Bundesrepublik mit „Waffengewalt“ von außen angegriffen wird oder ein solcher Angriff unmittelbar droht. Der Verteidigungsfall ist im Artikel 115a bis 115I des Grundgesetzes geregelt.
Zudem würde die aktuell ausgesetzte Wehrpflicht wieder in Kraft treten. Auch dies regelt das Grundgesetz. Betroffen davon wären alle Männer zwischen 18 und 60 Jahre. „Wie immer schon kann der Wehrdienst aber verweigert werden“, betont Rechtswissenschaftler Kyrill-Alexander Schwarz im Gespräch mit der Augsburger Allgemeinen.
Niemand dürfe gegen sein Gewissen zum Kriegsdienst mit der Waffe gezwungen werden, so Schwarz. Eine Entbindung von allen Pflichten gäbe es jedoch nicht. Das Arbeitssicherstellungsgesetz aus der Zeit des Kalten Kriegs könne die Bevölkerung zu zivilen Arbeitsverhältnissen berufen. Dazu zählen beispielsweise Tätigkeiten im Bereich des Katastrophenschutzes oder in Lazaretten. Davon seien auch Frauen zwischen 18 und 55 Jahren nicht ausgeschlossen.
Angriff auf NATO-Mitglied: Diese Unterstützung könnte Deutschland erwarten
Als Mitglied des Nordatlantischen Bündnisses wäre Deutschland im Kriegsfall nicht auf sich alleine gestellt. In Artikel 5 des NATO-Vertrages ist festgehalten, dass ein Angriff auf eines der Vertragsmitglieder als Angriff auf alle Mitglieder angesehen wird. Dies wird als „Bündnisfall“ bezeichnet. Ein Einmarsch nach Deutschland über Landwege ist unmöglich, ohne vorher das Territorium eines Bündnispartners zu betreten. Der Bündnisfall würde daher eintreten, bevor angreifende Bodentruppen Deutschland überhaupt erreicht hätten.
Im Jahr 2021 umfassten die Streitkräfte der NATO-Staaten nach Angaben der Landeszentrale für politische Bildung Baden-Württemberg etwa 3,3 Millionen Soldatinnen und Soldaten. Die größte Anzahl an Truppen steuerten die USA mit knapp 1,4 Millionen Streitkräften bei. Die deutsche Truppenstärke belief sich auf rund 189.000 Soldatinnen und Soldaten.
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