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Jan Böhmermann ist Grund genug, den Rundfunkbeitrag zu verweigern

Jan Böhmermann steht für alles, was im öffentlich-rechtlichen Fernsehen falschläuft: maximale Einseitigkeit, laxer Umgang mit journalistischen Standards und bei Fehlern ein Höchstmaß an Arroganz. Der Moderator wird dennoch mit Preisen überhäuft. Warum ist das so?

E inmal im Jahr vergibt das Grimme-Institut in Marl den Grimme-Preis. Es ist die höchste Auszeichnung, die in Deutschland für Fernsehproduktionen verliehen wird, kein Moderator hat sie so oft erhalten wie Jan Böhmermann. Sechs Mal wurde er in seiner Karriere bisher mit der begehrten Trophäe ausgezeichnet.


Auch 2023 ging wieder ein Preis an den Entertainer aus Köln, dieses Mal für seine Sendung „ZDF Magazin Royale“. Böhmermanns Konzept basiere auf einer simplen Überlegung, hieß es zur Begründung: „In einer Welt, in der Politiker:innen wie Clowns agieren, haben echte Clowns keine andere Wahl, als selbst politisch zu werden: Jan Böhmermann macht daraus Unterhaltung mit Informationswert – oder Information mit Unterhaltungswert, ganz wie man will.“


„Cyberclown“ mit Geheimdienstkontakten nach Moskau

Was den Informationswert der gelobten ZDF-Sendung angeht, weiß man seit dem letzten Wochenende genauer, was davon zu halten ist. Nach einem sechs Monate währenden Verfahren hat das Bundesinnenministerium auf Nachfrage eingeräumt, dass sich die Vorwürfe gegen ein prominentes Böhmermann-Opfer, den ehemaligen Leiter des Bundesamtes für Sicherheit in der Informationstechnik Arne Schönbohm, als haltlos erwiesen haben.





Der Name wird vielen vermutlich nichts sagen. Selbst die Innenministerin dürfte ihn bei Dienstantritt nicht gekannt haben. Das änderte sich aber schlagartig, als das „ZDF Magazin Royale“ den Beamten im Oktober in den Mittelpunkt einer Sendung stellte.


Schönbohm unterhalte engen Kontakt zu einem dubiosen Verein, der von russischen Spionen unterwandert sei, lautete der Vorwurf. Ein „Cyberclown“ mit Geheimdienstkontakten nach Moskau an der Spitze der deutschen Cybersecurity – was für ein Witz, hahaha!


Normalerweise ist ein Beamter gegen Intrigen gut geschützt, die Innenministerin ist per Gesetz verpflichtet, sich vor ihre Leute zu stellen. Aber beim „ZDF Magazin Royale“ handelt es sich nicht um irgendeine Sendung, sondern um eines der Aushängeschilder des Zweiten Deutschen Fernsehens. Wenn das ZDF jemanden als Sicherheitsrisiko bezeichnet, schrillen in Berlin die Alarmglocken.


Bundesinnenministerin Nancy Faeser entfernte den Mann umgehend von der Behördenspitze, ungerechtfertigterweise, wie sich nun herausstellt. Es gebe keine Hinweise auf ein fehlerhaftes Verhalten, teilte das Innenministerium den Anwälten des Behördenleiters vor ein paar Tagen mit. Die angebliche Russland-Nähe war keine, es gab sie nur in den Köpfen der „ZDF Magazin Royale“-Redaktion.


Einen Menschen öffentlich verspotten und dann um seinen Job bringen, das ist keine Kleinigkeit. Man sollte eine Entschuldigung oder zumindest eine Erklärung der Verantwortlichen erwarten.


Ich habe nachgesehen: Zu dem Vorgang gibt es bislang weder eine Einlassung von Böhmermann noch eine des ZDF. Im Gegenteil: Die Siegesmeldung „Nach Böhmermann-Recherche: BSI-Chef Schönbohm muss gehen“ steht weiterhin auf der ZDF-Homepage.


Auch auf der Website des Grimme-Instituts sucht man vergeblich nach einer Erläuterung, wie man die Verbindung von Information mit Unterhaltungswert im Lichte der neuen Informationen sieht.


Böhmermann steht für alles, was beim öffentlich-rechtlichen Fernsehen falschlaufen kann: maximale Einseitigkeit, laxer Umgang mit journalistischen Standards und bei Fehlern statt Einsicht ein Höchstmaß an Arroganz. Wenn jemand nach einem Grund suchte, über eine Aussetzung der Zahlung seiner Rundfunkgebühr nachzudenken, ich würde sagen: Hier wäre er.


Es ist auch nicht das erste Mal, dass eine Böhmermann-Recherche aus dem Ruder läuft. Ein Beitrag über den CSU-Mann und Bosnien-Beauftragten Christian Schmidt enthielt so viele Fehler, dass es ganze Zeitungsseiten brauchte, um die Sache geradezurücken.


Auch von der größten Enthüllung, der Story über die Maskendeals des Influencers Fynn Kliemann, blieb am Ende wenig übrig, jedenfalls nichts Strafwürdiges. Vor wenigen Tagen hat die Staatsanwaltschaft Stade ein Ermittlungsverfahren gegen den Kliemann-Partner Tom Illbruck eingestellt.


Man muss an dieser Stelle vielleicht doch einmal an den Medienstaatsvertrag erinnern, der die Geschäftsgrundlage des öffentlich-rechtlichen Rundfunks bildet. Die „Zeit“ oder die „Süddeutsche“ dürfen sich so einseitig aufführen, wie sie wollen.


Wenn die „Zeit“ beschließt, morgen jeder Ausgabe einen Wahlaufruf für die Grünen beizulegen, dann liegt das im Ermessen der Chefredaktion. Ich würde nicht dazu raten, da es viele Leser gibt, die schon jetzt den Eindruck haben, dass die „Zeit“ den Grünen zu nahe steht. Aber die Entscheidung ist allein eine Entscheidung des Blattes.


ARD und ZDF sind nicht so frei, wen sie bevorzugen und wen nicht. Die Sendeanstalten sind per Staatsvertrag gehalten, unvoreingenommen und überparteilich zu berichten.


Dafür werden ihnen Privilegien eingeräumt, die sonst nur Finanzbehörden haben. Satire kann schlecht überparteilich sein, das liegt in der Natur der Sache. Aber man könnte sich bemühen, für einen Ausgleich zu sorgen.


Doch die Antwort auf Böhmermann ist nicht ein Böhmermann von der anderen Seite, sondern „Reschke Fernsehen“, also ein Programm, das im Zweifel noch linker sein will als das Original.


Es gibt offenbar auch keine Programmaufsicht, wenn man für die richtige Sache streitet.


Der Rundfunkrat kann sehr pingelig sein, so ist es nicht. Als Frank Plasberg einmal nach Ansicht einer Gleichstellungsbeauftragten die falschen Gäste zu einer Talkshow über Gleichberechtigung eingeladen hatte, musste die Sendung wiederholt werden, damit auch die Landesarbeitsgemeinschaft kommunaler Frauenbüros zufrieden war.


Nur bei Böhmermann gibt es nie ein kritisches Wort, jedenfalls keines, von dem man wüsste. Wer als politisch zuverlässig gilt, darf sich alles erlauben, auch als Dreckschleuderle.


Vor ein paar Wochen hat der Herausgeber der „Berliner Zeitung“, Holger Friedrich, den Springer-Konzern darüber informiert, dass ihm der ehemalige „Bild“-Chef Julian Reichelt vertrauliche Informationen angeboten habe. Allgemeine Bestürzung über diesen Verstoß gegen den Informantenschutz. In der „FAZ“ wurde sogar eine Enteignung des Herausgebers erwogen.


Friedrich ist nicht der Einzige, der es mit dem Informantenschutz nicht so genau nimmt, wie die Investigativplattform „Correctiv“ zutage förderte.


In einem Interview mit den „Correctiv“-Leuten berichtete der Produzent des berühmten Ibiza-Videos, dass er das Material als Erstes Jan Böhmermann angeboten habe. Der zeigte sich nicht interessiert, der Informant wandte sich darauf an „Spiegel“ und „Süddeutsche“.


Aber das hielt den Moderator nicht davon ab, sich wichtigzutun. Bei einer Preisverleihung machte er Andeutungen über das, was er gesehen hatte, womit er die Veröffentlichung, über die dann die österreichische Regierung stürzte, in Gefahr brachte.


Böhmermann hat über seine Anwälte mitteilen lassen, er habe nie eine Vertraulichkeitsvereinbarung unterschrieben. Das hatte Holger Friedrich allerdings auch nicht. Es gibt Grundsätze, die man nicht extra unterschreiben muss, damit sie gelten.


Dazu gehört die Regel, dass man keine Leute hinhängt, die sich einem anvertraut haben. So steht es übrigens auch im Pressekodex: „Die Presse wahrt das Berufsgeheimnis, macht vom Zeugnisverweigerungsrecht Gebrauch und gibt Informanten ohne deren ausdrückliche Zustimmung nicht preis.“ Aber woher soll Böhmermann das wissen? Er tut ja nur so, als ob er Journalismus betreibe.


Zum Jahreswechsel konnte man im „Spiegel“ ein Porträt der Frau lesen, die für Böhmermann die Recherchen koordiniert. Die Frau heißt Hanna Herbst. In dem Text findet sich ein bemerkenswerter Satz zum Selbstverständnis des „ZDF Magazin Royale“.


Das Einzige, was die Redaktion interessiere, seien Richtigstellungen – „solange die ausbleiben: Wo ist das Problem?“. Das ist eine sehr eigenwillige Auslegung des Presserechts: Solange uns nicht vor Gericht nachgewiesen wird, dass wir falschlagen, lagen wir richtig.


Anderseits, wenn man darüber nachdenkt: Wäre das nicht einen Grimme-Preis wert – als journalistische Innovation des Jahres?

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