Achtzehn Besucher der Stuttgarter Staatsoper mussten wegen schwerer Übelkeit ärztlich behandelt werden, nachdem sie eine Aufführung mit Live-Piercing, nicht simuliertem Geschlechtsverkehr und einer Mischung aus Kunst- und Echtblut gesehen hatten.
Diese alarmierende Situation ereignete sich am Wochenende während zweier Aufführungen von Sancta, einem provokanten Stück der österreichischen Choreografin Florentina Holzinger.
Sebastian Ebling, ein Sprecher der Oper, berichtet: „Am Samstag hatten wir acht und am Sonntag zehn Personen, die von unserem Besucherdienst betreut werden mussten.“ In drei Fällen wurde medizinisches Fachpersonal hinzugezogen, um sie zu behandeln.
Holzingers provokanter Stil
Die 38-jährige Holzinger ist bekannt für ihre grenzüberschreitenden Aufführungen, die Tanztheater mit Elementen des Varietés verbinden. Ihr Ensemble, das ausschließlich aus Frauen besteht, tritt oft ganz oder teilweise nackt auf. Zu ihren früheren Arbeiten gehörten schwertschluckende Akte, Tätowierungen und die Verwendung von Blut und frischen Exkrementen in Aktionsbildern. In einem Interview mit dem Guardian sagte Holzinger kürzlich: „Gute Technik im Tanz ist für mich nicht nur jemand, der einen perfekten Tendu machen kann, sondern auch jemand, der auf Kommando urinieren kann.“
Sancta, Holzingers erster Ausflug in die Oper, wurde im Mai am Mecklenburgischen Staatstheater Schwerin uraufgeführt. Sie ist inspiriert von Paul Hindemiths expressionistischer Oper Sancta Susanna, deren Themen in der Vergangenheit immer wieder kontrovers diskutiert wurden.
Historischer Kontext und moderne Interpretation
Hindemiths ursprüngliche Oper, die die Geschichte einer jungen Nonne erzählt, deren Erregung sie zu einem Sakrileg verleitet, sollte ursprünglich 1921 in Stuttgart uraufgeführt werden, wurde aber aufgrund von Protesten auf das folgende Jahr verschoben. Holzingers Adaption ersetzte die Originalpartitur durch nackte Nonnen, die auf einer beweglichen Halfpipe Rollschuh fahren, und enthielt schockierende Bilder wie eine Wand mit gekreuzigten nackten Körpern und eine lesbische Priesterin, die die Messe leitet.
Nachdem Holzinger Sancta in Wien aufgeführt hatte, verurteilten die Bischöfe von Salzburg und Innsbruck das Stück als „respektlose Karikatur der heiligen Messe“. Holzinger stellte jedoch klar, dass ihr Werk die Beziehung zwischen konservativen Institutionen und Kink-Gemeinschaften erforschen und nicht die Kirche verspotten wolle.
Publikumsberatung und kommerzieller Erfolg
Ebling forderte potenzielle Besucher auf, die Warnhinweise zur Aufführung gründlich zu lesen, die Auslöser wie Weihrauch, laute Geräusche, explizite sexuelle Handlungen und Darstellungen sexueller Gewalt enthalten. „Wenn Sie Fragen haben, wenden Sie sich an den Besucherdienst“, riet er. „Und im Zweifelsfall kann es helfen, während der Vorstellung den Blick abzuwenden“.
Trotz der beunruhigenden Vorfälle wirkten sich die Berichte über medizinische Behandlungen nicht negativ auf den kommerziellen Erfolg von Sancta aus. Alle fünf verbleibenden Vorstellungen an der Stuttgarter Staatsoper sowie zwei Vorstellungen an der Berliner Volksbühne im November sind ausverkauft.
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